IG Metall legt Zukunftsmanifest vor

IG Metall

22.11.2002 Zwickel: Ich will eine moderne IG Metall

Nach zweieinhalb Jahren offensiver Diskussionen innerhalb und außerhalb der Gewerkschaft hat der IG Metall-Vorstand das Zukunftsmanifest "Offensive 2010" beschlossen. Dieses Manifest formuliere die Anforderungen der IG Metall an die Politik und stelle neue Ziele gewerkschaftlichen Handelns zur Diskussion, sagte der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel. Die neue Vielfalt der Lebensentwürfe, die Pluralität der Arbeitsverhältnisse, die unterschiedlichen betrieblichen Bedingungen müsse die IG Metall in ihrer Tarifpolitik, Betriebsarbeit und Organisationspolitik beachten. Zwickel: "Ich will eine moderne IG Metall. Attraktiv für alle Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Offen für die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Bewegungen. Aufgeschlossen für wissenschaftliche Erkenntnisse und Diskurse".

Die Kampf- und Streikfähigkeit bleibe Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der IG Metall, betonte der IG Metall-Vorsitzende. Aber eine attraktive Gewerkschaft müsse mehr bieten, zum Beispiel kompetente Dienstleistung, qualifizierte Beratung und differenzierte Ansprache. Zum Kernbereich Tarifpolitik diskutiere die IG Metall Möglichkeiten, über den Tarifvertrag Einkommensansprüche oberhalb der Mindestnormen des Flächentarifvertrages durchzusetzen. Die verbindliche Grundlage für betriebliche Verhandlungen über Einkommensbestandteile und eine Ergebnisbeteiligung könnte in branchenspezifischen Tarifverträgen geschaffen werden. Außerdem könnten betriebliche Ergänzungstarifverträge ausgeweitet werden. Mit solchen differenzierten Ergänzungsregelungen würde die Zukunft des Flächentarifvertrages dauerhaft gesichert, sagte Zwickel. In der Arbeitszeitpolitik komme es in Zukunft für die IG Metall darauf an, die Vielfalt der Arbeitszeiten und Arbeitsverhältnisse zu gestalten. "Erzwungene Flexibilität" müsse eingegrenzt und gewollte Vielfalt ermöglicht werden.

Solidarität und Erhalt des Sozialstaates spielen nach Aussagen Zwickels eine wichtige Rolle in der Zukunftsdebatte der IG Metall. Sinnvolle Reformen werde die IG Metall mittragen. Die Arbeitslosigkeit müsse eingedämmt und die Arbeitsmarktpolitik umgekrempelt werden. Das Gesundheitssystem müsse reformiert und Zukunftsperspektiven des Sozialstaates aufgezeigt werden. Die rot-grüne Bundesregierung habe erste Weichenstellungen vorgenommen. Die Besteuerung von Kapitalgesellschaften, der Abbau von ungerechtfertigten Steuervergünstigungen und die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Aktien und Immobiliengeschäften gingen in die richtige Richtung. Leider sei immer noch offen, ob und wie die verfehlte Unternehmenssteuerreform korrigiert werde, kritisierte Zwickel. Die Körperschaftssteuer der Unternehmen, die im Jahr 2000 noch 23,6 Milliarden Euro eingebracht habe, sei inzwischen zu einer Negativ-Steuer geworden: Statt zu kassieren, müsse der Staat Geld zurück zahlen.

Offenkundig passe den Kritikern aus Wirtschaft und Wissenschaft die ganze Richtung von Rot-Grün nicht, stellte Zwickel fest. Schon der Gedanke, auch Unternehmen, Banken, Großaktionäre, Pharmakonzerne, Apotheken und Ärzte könnten einen Teil der Lasten tragen, führe zu Proteststürmen. Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände sowie der CDU/CSU gehe es nur darum, ihre Besitzstände mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Es müsse gelingen, diese Blockade der "Besitzstandswahrer" aufzubrechen. "Redet unser Land nicht kaputt", appellierte Zwickel an die Kritiker. Deutschland sei nach wie vor eine der wirtschaftsstärksten Nationen der Welt. Deutschland habe funktionierende sozialstaatliche Strukturen, seine Produkte seien auf allen Märkten der Welt gefragt und die Arbeitnehmer seien hochqualifiziert. "Darauf können und müssen wir aufbauen - und zwar gemeinsam", wandte sich Zwickel an Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler und die Medien.

Letzte Änderung: 21.03.2013