Für gute Arbeit im Handwerk

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07.05.2017 Digitalisierung im Handwerk gestalten - Wir gestalten mit, bei der Aus- und Weiterbildung, beim Umgang mit Daten und bei den Arbeitsbedingungen - Tarifrunden 2017 für Mitgliederansprache nutzen

Alle reden von Industrie 4.0 - doch auch im Handwerk ist die Digitalisierung längst in vollem Gang. Die IG Metall will die Digitalisierung so regeln, dass gute Arbeit gelingt. Deshalb gestaltet sie mit, bei der Aus- und Weiterbildung, beim Umgang mit Daten und bei den Arbeitsbedingungen.

Lkws haben heute 30 bis 60 Steuergeräte, kleine Computer. Vom Scheibenwischer bis zur Anhängerkupplung ist alles digital vernetzt. Die Lkws sind ständig online. Die Fuhrparkleiter der Speditionen können alle Fahrzeugdaten jederzeit aus der Ferne auslesen und wissen, was sie verbrauchen, wie lange sie fahren und wann Reparaturen fällig sind.

"Einige Spediteure übertragen uns die Planung ihrer Reparaturen und Wartungen", erklärt Kfz-Elektriker Heinz Breitbach, der bei der Nutzfahrzeug-Niederlassung von Mercedes in Koblenz arbeitet. "Dann gehen die Onlinedaten aus den Lkws direkt an unseren Service. Wir melden dann dem Spediteur: Kommt mal in die Werkstatt."

Oft ist nur ein Softwareupdate fällig, das Breitbach auf jedes einzelne Steuergerät über sein Diagnosegerät installieren kann. Die Updates kommen per Internet aus der Mercedes-Zentrale.

Als Breitbach vor 22 Jahren anfing, hatte ein Auto vier, fünf Steuergeräte, die er mit einem "Handheld Tester" aus las. Damit lernte er jedoch erst im Betrieb umzugehen. In seiner Ausbildung spielte digitale Technik noch keine Rolle.

Digitalisierung lernen

Die Auszubildenden heute hingegen wachsen digital auf. Die 16 Kfz-Mechatronik-Azubis in der Ausbildungswerkstatt bei Mercedes in Koblenz lernen mit Tablets und "Computer Based Trainings", mit denen sie alle Arbeitsschritte bis hin zum Abschlusstest üben.

Die Ausbildungswerkstatt ist neu eröffnet und eingerichtet. "Dafür haben wir gekämpft", erzählt Betriebsrat und Ausbildungsleiter Joachim Noll. "Viele Arbeitgeber reden zwar von der Digitalisierung, aber die meisten haben sie nicht wirklich auf dem Schirm. In die nötige Aus- und Weiterbildung wollen sie oft nicht investieren."

Noll und die anderen Betriebsräte denken an die Zukunft. Beispielsweise haben sie durchgesetzt, dass alle Beschäftigten eine Hochvoltschulung bekommen, für die Elektro-Lkws, die in den nächsten Jahren kommen. Und sie versuchen, die Digitalisierung so zu gestalten, dass gute Arbeit dabei herauskommt. Denn die neue digitale Welt hat auch Schattenseiten. Etwa die Überwachung. "Unsere Verkäufer im Außendienst haben auch alle Autos, die Daten übermitteln", erklärt die Betriebsratsvorsitzende Fabienne Dorscheimer. "Vieles davon geht die Firma nichts an. Etwa wo der Mitarbeiter abends privat hinfährt. Das müssen wir regeln und eindämmen. Auch der Gesetzgeber ist gefordert."

In den nächsten Jahren wird sich das Kfz- Handwerk durch die Digitalisierung weiter dramatisch verändern. Davon ist Ausbilder Noll überzeugt. "Datenbrillen, Sensor-Handschuhe, Ferndiagnosen per Video und vor allem digitale Prozesse - das wird alles kommen. Wer sich darauf nicht einlässt, ist raus aus dem Geschäft."

Neue digitale Geschäftsmodelle

Nur rund drei Kilometer entfernt bei der Handwerkskammer (HWK) Koblenz erklärt Christoph Krause genau das "seinen" Handwerksbetrieben wieder und wieder: Ihr müsst Euch auf die Digitalisierung einlassen, sonst seid Ihr bald raus.

Krause ist Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk der HWK, bei der Ausbilder Noll von Mercedes Vizepräsident ist. Auf drei Stockwerken lernen hier Unternehmer, Auszubildende und Fortbildungsteilnehmer Digitalisierung: Im Erdgeschoss stehen nagelneue Fertigungsmaschinen, wie CNC-5-Achs-Fräsen und Laser. Im ersten Stock programmieren und installieren die Lernenden eine vernetzte Fertigungsstraße. Im zweiten Stock lernen Kursteilnehmer, in digitalen Prozessketten und Geschäftsmodellen zu denken.

Genau das ist für Krause Handwerk 4.0 - nicht nur Datenbrillen oder Sensor-Handschuhe. Die Technik kann jeder kaufen - sogar recht günstig. Digitalisierung heißt, mit der Technik Prozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln: eine vernetzte Fertigung mit digitaler Planung und einer Plattform im Internet, auf der Kunden Produkte konfigurieren und bestellen können. So wie es etwa das Heizungsportal Thermondo vormacht. Wenn Handwerksbetriebe künftig keine austauschbaren Montagedienstleister großer Portale sein wollen, dann müssen sie selbst Plattformen haben, warnt Krause. "Gut 60 Prozent der Handwerksbetriebe ignorieren jedoch noch die Digitalisierung, 30 Prozent sind aufgeschlossen, schaffen es jedoch alleine nicht. Denen müssen wir helfen, digitale Geschäftsmodelle und Prozesse zu entwickeln. Das geht nur mit Beteiligung der Beschäftigten. Wer Digitalisierungsprojekte startet, muss auch Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und Weiterbildung anpacken, was im Handwerk oft noch fehlt."

60 Handwerksbetriebe vernetzt

Aus eigener Kraft auf gutem Weg mit digitalen Geschäftsmodellen sind derzeit nur zehn Prozent der Handwerksbetriebe. Was das genau heißt, zeigt die kleine Tischlerei Kreienbaum in Warendorf zwischen Bielefeld und Münster. In der Werkstatt stehen nagelneue vernetzte CNC-Maschinen, die, von Tischlern programmiert, nach 3-D-Plänen Holz fräsen. Die Tischler werden dafür systematisch qualifiziert und weitergebildet. Die Pläne sind in einer Cloud gespeichert. Die Kunden können auf Teile davon zugreifen und sie ändern.

Vor allem können auch die Partner, andere Handwerksbetriebe, auf die Pläne in der Cloud zugreifen, um mit der Tischlerei an gemeinsamen Aufträgen zu arbeiten. Über 60 Handwerksbetriebe sind mit der Tischlerei Kreienbaum über die gemeinsame Plattform "Ideenräume" vernetzt: Elektro, Sanitär-Heizung-Klima, Maler, Maurer. Zusammen können sie Großaufträge an Land ziehen - von der Ausstattung von Verkaufsbereichen, etwa zur Präsentation in Baumärkten, bis hin zu Fünf-Sterne-Hotels in der Schweiz.

"Für uns Handwerker bedeutet das oft eine ganz andere Arbeit", erklärt Dieter Everwin, Betriebsratsvorsitzender bei Kreienbaum, wo der Tischlertarif Nord-West der IG Metall gilt. "Wir arbeiten viel spezialisierter. Früher habe ich noch das Holz selbst ausgesucht, gesägt, gebohrt und lackiert. Heute macht fast alles die CNC-Maschine. Andererseits müssen wir Gewerke übergreifend arbeiten, also etwa auch die Stromversorgung mitplanen und mit einbauen."

Gutes altes Handwerk bleibt

Nicht alles wird digital: Die Endmontage beim Kunden ist nach wie vor gutes altes Handwerk. "Das ist wie früher und wird sich auch nie ändern", meint Kreienbaum-Betriebsrat Everwin. "Sägen, Bohren, Feilen, Fräsen - und auch mal improvisieren." Das wird immer gefragt sein, auch wenn die Prozesse und Geschäftsmodelle digitalisiert werden. Das sieht auch Christoph Krause von der HWK in Koblenz so. "Wir erleben sogar gerade eine Rückbesinnung auf gutes Handwerk."

Auch Ausbilder Noll bei Mercedes macht mit seinen Auszubildenden einen Grundlehrgang in Metallbearbeitung - obwohl der eigentlich längst aus dem Ausbildungsrahmenplan für Kfz-Mechatroniker gestrichen ist. "Sägen, Bohren, Feilen, Fräsen musst Du können", sagt Noll.

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Letzte Änderung: 05.05.2017