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07.07.2017 Gewerkschaften zu G20-Gipfel und Welthandel: Kurswechsel in der Handelspolitik - Faire Bedingungen zwischen den Staaten - Armutsbekämpfung in Fokus rücken

Der G20-Gipfel in Hamburg steht unter großem Erwartungsdruck, den gordischen Knoten bei riesigen Problemen zu durchschlagen. Die Gewerkschaften fordern besonders in der Handelspolitik einen Kurswechsel. Denn eine entfesselte Globalisierung macht die Reichen reicher und die Armen ärmer.

Ein zentrales und wahrscheinlich besonders umstrittenes Thema auf dem G20-Gipfel wird der Welthandel sein. In Hamburg dürften sich wahrscheinlich die meisten Vertreter der großen Wirtschaftsmächte für Freihandel einsetzen, mit Ausnahme des US-Präsidenten Trump, der die US-Wirtschaft durch protektionistische Maßnahmen abschotten will und ihnen einseitige Vorteile verschaffen will. Aktuell verschärft sich der handelspolitische Dialog mit den USA: Die amerikanische Regierung klagt seit langem über das Ungleichgewicht im Warenaustausch mit Deutschland.

Für Deutschland mit den exportstarken Branchen Autoindustrie, Maschinenbau aber auch Stahl wären neue Handelsbarrieren aber überhaupt keine gute Idee. In einer hochgradig vernetzten Wirtschaft, die über integrierte Wertschöpfungsketten, internationale Wissensnetze und digitale Technologien jeden Tag mehr zusammenrückt, wäre neuer Protektionismus nämlich der völlig falsche Weg. Beschäftigte hätten davon am allerwenigsten. IG Metall-Betriebsräte der deutschen Automobilindustrie betonen in einer Erklärung die Wichtigkeit von offenen Märkten und fairen Handelssystemen anstelle von Strafzöllen auf ausländische Waren. Nebenbei bemerkt: Die Absatz- und Exporterfolge der deutschen Automobilindustrie sind ohne Lohn- und Sozialdumping zustande gekommen.

Aber beim G20-Gipfel geht es um mehr. Es geht um das große Ganze. Die deutschen Gewerkschaften unter dem Dach des DGB fordern vom G20-Gipfel nicht weniger als eine andere Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Warum? Es gibt verbreitet Ausbeutung und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Und nicht alle Konzerne werden ihrer Verantwortung gegenüber ihren Arbeitnehmern gerecht oder sind bereit, ihre teils sehr hohen Gewinne zu versteuern. Das muss sich ändern.

Was wollen die Gewerkschaften? Sie fordern unter anderem weltweit existenzsichernde Mindestlöhne, um für einen Anstieg der niedrigen und mittleren Einkommen zu sorgen. Steueroasen müssen trockengelegt, Steuervermeidung konsequent bekämpft und Spitzeneinkommen und Großvermögen höher besteuert werden. Auf internationaler Ebene muss die Handelspolitik künftig darauf setzen, gemeinsame hohe Arbeitnehmer-, Menschen- und Umweltrechte zu verankern. Sie muss eingebettet sein in eine aufeinander abgestimmte, nachhaltige Industrie- und Strukturpolitik, die Beschäftigung sichert und für neue, gute Arbeitsplätze sorgt.

Weltweite Zunahme von unsicherer Beschäftigung

Die Gewerkschaften fordern nicht weniger als einen Kurswechsel in der Handelspolitik. Oberstes Ziel dabei muss sein, die Gewinne aus Handel und Globalisierung gerecht zu verteilen. Globaler Handel birgt zweifellos Chancen. Weltweit leben heute weniger Menschen in existentieller Armut als noch vor 40 Jahren. Weltweit nimmt aber auch prekäre und atypische Arbeit zu, vor allem bei Frauen und jungen Beschäftigten. Menschen haben zwar Arbeit, aber keinen ausreichenden sozialen Schutz. Sie arbeiten zu Löhnen, die nicht existenzsichernd sind. Der DGB schätzt, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung ohne Schutz vor den Risiken des Lebens sind.

Beispiel: Große Textilhandelsketten machen in den Industrieländern große Gewinne. Sie lassen aber in Bangladesch, Pakistan und anderswo fertigen, wo sklavenartige Verhältnisse herrschen. Die Beschäftigten dort können kaum ihre Familien ernähren, geschweige denn ihre Kinder auf ordentliche Schulen und Universitäten schicken, um der Armutsspirale zu entkommen. Da helfen nur verbindliche Sorgfaltspflichten der Unternehmen, vom Entstehen eines Produkts über die komplette Lieferkette für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse gerade zu stehen. Da liegt noch immens viel im Argen.

Klare Kriterien für Handelsverträge

Deshalb muss im Rahmen der Proteste gegen den Hamburger Gipfel klar gemacht werden, dass die Interessen der Beschäftigten, also diejenigen, die überhaupt die Produkte eines globalen Handels schaffen, von den Regierungen berücksichtigt werden müssen. Das gilt auch für das Aushandeln neuer Handelsverträge, wo Arbeitnehmerinteressen bisher keine Rolle spielen. Die Regeln, die in zahlreichen Freihandelsabkommen festgeschrieben wurden, sind für eine gerechtere Weltwirtschaft unbrauchbar. Sie befürworten die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildung und Wasserversorgung. Auf deren Zugang sind oft die einkommensschwächeren Schichten besonders angewiesen.

Im Industriegewerkschaftsverband IndustriAll European Trade Union haben die Gewerkschaften deshalb einen Kriterienkatalog entwickelt, wie zukünftig Handelspolitik gestaltet werden sollte. Handelsverträge sollten dem Ziel untergeordnet sein, Ungleichheit zu bekämpfen. Gute Löhne, Tarifverträge und mehr Mitbestimmung müssen weltweit Standard sein. Handelspolitik sollte künftig darauf setzen, gemeinsam hohe Arbeitnehmerrechte zu verankern. Um gute Arbeit zu fördern, müssen die ILO-Kernarbeitsnormen verpflichtend ratifiziert und umgesetzt werden, gerade entlang globaler Lieferketten. Soziale Verantwortung muss vor allem von den transnationalen Unternehmen eingefordert und verbindlich geregelt werden.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass es bei dem Gipfel um wichtige richtungsweisende Beschlüsse geht, deren Auswirkungen für Milliarden Menschen spürbar werden. Es ist deshalb mehr als nachvollziehbar, wenn Bürger von ihrem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch machen, und sich den vielfältigen Protestaktionen anschließen. Schließlich lautet das Motto "Eine vernetzte Welt gestalten". Gerade die Gewerkschaften sehen ihre Aufgabe darin, die Welt so zu gestalten, dass sie gerecht ist, Wohlstand weltweit fördert und die Sozial- und Umweltstandards der Erde anerkennt.

Letzte Änderung: 07.07.2017