Delegiertenversammlung
Die Stimmung unter den Delegierten ist unruhiger als üblich. Ein Grund hierfür ist leicht zu identifizieren: Der Bundestag, der am gestrigen Sonntag den größten Rechtsruck seit Gründung der Bundesrepublik
Deutschland erlebte, wird von den Delegierten intensiv diskutiert. In den Pausen, während der Versammlung und in Tischgesprächen ist das Unbehagen über die AfD deutlich vernehmbar. Mit Ernüchterung stellt Klaus Stein,
erster Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim, fest, dass besonders Arbeiter der AfD ihre Stimme gegeben haben. Politisch bedeutet das Ergebnis der Bundestagswahl, so Stein, eine Zeitenwende. Neben dem Rechtsruck, der die
Diskussionsinhalte, aber auch die Umgangskultur im neuen Bundestag verändern wird, gibt es für Gewerkschaften mit einer wahrscheinlichen Jamaika-Koalition bestehend aus CDU, FDP und Grünen wenig Hoffnung auf
arbeitnehmerInnenfreundliche Politik. Klaus Stein entwarf für Deutschland das Negativszenario Frankreich. "Emanuel Macron und auch die Vorgängerregierung machen sich daran, Flächentarifverträge unter bestimmten
betrieblichen Vorbehalten Betriebsvereinbarungen unterzuordnen. Diese Politik wäre für uns und die Gewerkschaften hierzulande ein schlimmer Einschnitt." Auch die Gefahr der Aufweichung des deutschen Arbeitszeitgesetzes ist in
Gefahr. "Die FDP spielt schon seit einiger Zeit öffentlich mit dem Gedanken, dass der Achtstundentag und die Ruhepausen angeblich nicht mehr zeitgemäß sind".
Als Gast der Delegiertenversammlung gibt IG Metall Bezirksleiter Roman Zitzelsberger zu Protokoll: "10% Protestwahl, das ist leider normal. Die haben in der AfD eine Partei gefunden. Aber was passiert da grade in den ostdeutschen
Bundesländern? Das ist mehr als nur Protest. Dort geht es darum, dass die Menschen sich von der Politik alleine gelassen fühlen. Die Linke hat diese Themen auf der Agenda, die SPD auch, aber es kam zu spät etwas Konkretes
in diesem Wahlkampf. Strategisch wäre es aus meiner Sicht auch besser gewesen, wenn die SPD trotz alledem wenigstens versucht hätte in Koalitionsverhandlungen zu gehen, um unsere Themen durchzusetzen".
Die Diskussion um die Tarifrunde 2018 in der Metall- und Elektroindustrie wird wenig kontrovers diskutiert. Die Delegierten zeigten sich einig darin, dass die Tarifrunde unumgänglich mit der Aufkündigung des Manteltarifvertrags verbunden ist, wenn das Thema Arbeitszeitverkürzung durchgesetzt werden soll. Klaus Stein argumentiert dabei lautstark für die Kündigung des MTV und wirbt bei den Delegierten um maximale Unterstützung grade auch in kleineren Betrieben, die ihrem Arbeitgeber ein deutliches Zeichen senden müssen, einen neuen und verbesserten Tarifvertrag auch zu wollen. Es ist in Anbetracht des historisch immer schon sehr konfliktionär ausgetragenen Arbeitskampfes um die Arbeitszeit eher wahrscheinlich, dass die kommende Tarifrunde auf Konflikt und Streik zuläuft. "Aufgrund der wirtschaftlich guten Situation", so Klaus Stein weiter, "werden wir beim Entgelt keine Zurückhaltung üben. Eine Forderung von 6% halte ich für den gebotenen Rahmen". Zum Zeitraum der Tarifrunde formuliert Stein appellierend: "In der zweiten Januarwoche geht es wahrscheinlich los - schnell und heftig!"
Letzte Änderung: 26.09.2017