Tarifautonomie als heilige Kuh

15.04.2004 Kalauer helfen keinem

Dass Herr Kehrberger als Obermeister der Elektroinnung Mannheim, sich an der Patriotismus-Debatte beteiligt, ist völlig in Ordnung. Schließlich geht es ja um Arbeitsplätze und somit um die Zukunft der Menschen in unserem Land.Wenn er dann zum Besten gibt, dass schon vor 50 Jahren diese Entwicklung vorauszusehen war, dann spricht dies für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in Sachen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die selbst Wissenschaftler nicht für sich reklamieren. Damit aber nicht genug! Die Tarifpolitik respektive die Tarifautonomie ist an allem Schuld, so die Schlussfolgerung

Unser weitsichtiger Obermeister hat sie - die heilige Kuh der Tarifautonomie - nun zur Abschaffung freigegeben. Ein kühner Vorschlag für einen Vertreter, der auf dem Boden einer Handwerksordnung des vorletzten Jahrhunderts agiert.

Was wäre denn zur Tarifautonomie eine Alternative? Die staatliche Lohnfestle-gung? Das sogenannte freie Spiel der Marktkräfte? Fach- und Handwerksarbeit zum Stundensatz aus Polen, Tschechien oder der Slowakei? Wer würde das Einkommen des Herrn Obermeister und der ihm Anvertrauten dann bestimmen?

Trotz teilweise berechtigter Kritik an der Tarifautonomie, sie ist die beste aller Möglichkeiten in den jeweiligen Branchen die Arbeitsbedingungen zu regeln. Es gehört eben auch zu einem demokratischen Rechts- und Sozialstaat, dass man sich zu Verbänden (dazu zählen auch Innungen) zusammenschließen und sei-ne Interessen vertreten kann. Mit Kalauern über Hildegard Knef und Heinz Kluncker ist der Sache und auch den Innungsmitgliedern nicht im entferntesten gedient.

Nicht das verhindern von Sozialdumping - dank Tarifparteien - sondern der Wettlauf um den schnellst- und höchstmöglichen Profit ist die größte Antriebs-feder zum Abwandern der Unternehmer ins Ausland.

Gäbe es keine Tarifpolitik die die Kaufkraft der arbeitenden Menschen stützt, könnte fast niemand die Dienste des Herren Innungsobermeister bezahlen. Das Motto: Leben und leben lassen hat sich noch immer ausgezahlt.

Etwas mehr Sachlichkeit stünde einem Innungsvertreter gut zu Gesicht!

Letzte Änderung: 21.03.2013