Tarifverhandlungen gestartet
Keine Annäherung zum Auftakt der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie. Die IG Metall fordert 7 Prozent mehr Geld und 170 Euro mehr im Monat für Auszubildende. Die Arbeitgeber lehnen die Forderungen ab. Vor den Verhandlungen demonstrierten tausende Metallerinnen und Metaller.
Die erste Runde der Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie brachte keine Annäherung. Am Montag ist nun als letztes von zwölf Tarifgebieten auch das Tarifgebiet Küste (Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein sowie die Küstengebiete Niedersachsens) in die Verhandlungen zwischen der IG Metall und den regionalen Arbeitgeberverbänden eingestiegen - auch hier ohne Fortschritte.
Die IG Metall fordert in der Metall-Tarifrunde 2024 eine Erhöhung der Entgelte um 7 Prozent. Auszubildende sollen 170 Euro mehr im Monat erhalten. Die Verhandlungskommissionen der IG Metall verwiesen auf die trotz des Rückgangs der Inflation immer noch hohen Preise. Daher will die IG Metall eine soziale Komponente für die unteren Entgeltgruppen erreichen, die besonders von den hohen Preisen betroffen sind - sowie eine Ausweitung der Wahloptionen zwischen Geld und Zeit.
Die Arbeitgeber lehnten die Forderungen der IG Metall ab - legten aber selbst keinerlei Angebot vor.
Die Verhandlungen waren letzte Woche Mittwoch in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen begonnen. Am Donnerstag starteten dann auch die Tarifgebiete Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen mit ihrer ersten Verhandlungsrunde. Am Freitag verhandelte die IG Metall dann in Berlin-Brandenburg, in der Mittelgruppe (Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland), im Tarifgebiet Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim sowie in Sachsen-Anhalt.
Keine Zeit für Hinhaltaktik - mehr Kaufkraft nötig
Daniel Friedrich, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall Küste zeigte sich enttäuscht, dass die Arbeitgeber bei dem Treffen in Hamburg kein Angebot vorgelegt haben: "Unsere Forderungen und Argumente sind seit
Monaten bekannt. Schade, dass die Arbeitgeber heute kein Angebot vorgelegt haben. Wir erwarten, dass sie schnell in ernsthafte Verhandlungen eintreten und den Beschäftigten in der zweiten Verhandlungsrunde ein substanzielles Angebot
vorlegen." Es sei jetzt nicht die Zeit, um mit Hinhalten und Verzögern zu taktieren.
"Die Beschäftigten sind in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert worden: steigende Lebenshaltungskosten, Unsicherheiten durch die Pandemie und zuletzt eine hohe Inflation, die besonders die unteren Einkommensgruppen hart trifft", warnte Thorsten Gröger, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. "Nun braucht es dringend Entlastung im Geldbeutel. Wir können uns keine Wiederholung der letzten Tarifrunde leisten, in der anderthalb Monate ohne ein Angebot der Arbeitgeberseite verstrichen sind. Hinhaltetaktiken darf es 2024 nicht geben!"
"Eine deutliche Entgeltsteigerung ist notwendig, ökonomisch sinnvoll und wirtschaftlich machbar", erklärte Dirk Schulze, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. "Die
Beschäftigten brauchen die Lohnsteigerung genau wie der Standort Deutschland, der auf einen Konjunkturschub durch eine höhere Kaufkraft angewiesen ist. Mehr Nachfrage kurbelt die Wirtschaft an und trägt zur Belebung der
Konjunktur bei.Die IG Metall beurteilt die wirtschaftliche Lage realistisch - und ein Untergangsszenario, wie es die Arbeitgeber derzeit malen, sei nicht angemessen, betont Jörg Köhlinger, Verhandlungsführer und
Bezirksleiter der IG Metall Mitte. "Die Lage ist herausfordernd, doch an den Arbeitskosten liegt es nicht. Diese machen in der Metall- und Elektroindustrie durchschnittlich nur 16 Prozent der Gesamtkosten aus. Die Metallerinnen und
Metaller sägen sicherlich nicht am Ast, auf dem sie sitzen. Das sollte selbst den Funktionären der Arbeitgeberseite einleuchten."
Tausende demonstrierten vor den Verhandlungen
Der Start in die Verhandlungen wurde von tausenden Metallerinnen und Metallern mit Aktionen vor den Verhandlungslokalen eingeläutet. Auch vor der Verhandlung im Tarifgebiet Küste in Hamburg zogen 1.300 Metallerinnen und
Metaller lautstark und farbenfroh durch die Hamburger Innenstadt und versammelten sich auf dem Großneumarkt, in unmittelbarer Nähe des Verhandlungshotels. Die IG Metall Jugend Küste überreichte der
Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Lena Ströbele, symbolisch einen überdimensionalen 170-Euro-Schein, um ihre Forderung zu veranschaulichen.
Zur größten Tarifauftaktveranstaltung letzten Mittwoch in München kamen 5000 Metallerinnen und Metaller aus Betrieben in ganz Bayern, um für ihre Forderungen zu demonstrieren. Sie zogen mit Trommeln durch die Stadt zur Kundgebung vor dem Haus der Bayerischen Wirtschaft, um vor den Verhandlungen zwischen der IG Metall und dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm) Druck für ihre Forderungen zu machen.
"Auch dieses Mal haben uns die Arbeitgeber wieder provoziert - und behauptet, die Beschäftigten stünden nicht hinter unseren Forderungen", kritisierte Sebastian Kunzendorf, Betriebsratsvorsitzender des Flugzeugteilebauers Premium Aerotec in Augsburg und Mitglied der Verhandlungskommission der IG Metall in seiner Rede. "Da haben wir ihnen heute schon mal die richtige Antwort gegeben."
Arbeitskosten nicht der Grund für die Krise - Politik gefordert
Die IG Metall räumt die wirtschaftlich schwierige Lage ein. Doch dürfe jetzt nicht der in den letzten Jahren schwache private Konsum, die wesentliche Ursache der aktuellen Konjukturschwäche, weiter geschwächt werden.
"Ja, wir befinden uns nicht in einer wirtschaftlichen Boomphase. Aber wir sind weit weg von der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten", sagte der NRW-Verhandlungsführer Knut Giesler in Richtung der Arbeitgeber. "Durch diese Schwarzmalerei sägt man an dem Ast, auf dem man sitzt. Das verunsichert Konsumenten und Unternehmen und führt bestimmt nicht dazu, dass es besser wird."
In Baden-Württemberg hatten die Arbeitgeber im Vorfeld sogar eine Nullrunde - also gar keine Lohnerhöhung - gefordert. Dem erteilte Verhandlungsführerein Barbara Resch eine klare Absage: "Die Nullrunde wird es mit uns nicht geben. Denn gerade der private Konsum ist für die Erholung der Konjunktur besonders wichtig."
Daher ist es aus Sicht der IG Metal zentral wichtig, die Kaufkraft zu stärken - vor allem die der unteren Einkommen.
"Wie auch die Auszubildenden leiden Beschäftigte mit niedrigen Einkommen besonders unter den hohen Preisen. Das wollen wir in den Verhandlungen explizit berücksichtigt wissen", betonte der bayerische IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Horst Ott. "Und das Bedürfnis der Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität ist sehr groß. Die Menschen wollen sich je nach Lebensphase für mehr Geld oder mehr Zeit entscheiden können. Wir wollen das weiteren Beschäftigtengruppen ermöglichen. Dabei denken wir beispielsweise an Teilzeitbeschäftigte oder ehrenamtlich engagierte Beschäftigte."
Bei den Verhandlungen machte die IG Metall noch einmal deutlich, dass auch die Politik gefordert ist, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.
"Wenn einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten stecken, sind dafür nicht die Arbeitskosten verantwortlich", erklärte der sächsische Verhandlungsführer Dirk Schulze. "Um die Transformation erfolgreich zu gestalten, muss Deutschland auf Entlastungen bei den Energiekosten und eine aktive Industriepolitik setzen."
Friedenspflicht läuft am 28. Oktober aus
In der Metall- und Elektroindustrie verhandelt die IG Metall parallel in zwölf Tarifgebieten mit den regionalen Arbeitgeberverbänden. Die Verhandlungen betreffen mehr als 3,8 Millionen Beschäftigte.
Die nächste Verhandlungsrunde wird voraussichtlich Mitte Oktober starten.
Die sogenannte Friedenspflicht läuft am 28. Oktober um 24 Uhr aus. Danach sind Warnstreiks möglich
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Letzte Änderung: 18.09.2024