Seehofers Gesundheitspläne

25.07.2002 Horst Schmitthenner: Die Pläne sind zu teuer und zu unsozial

Als "unsolidarisch und finanzpolitisch kaum kalkulierbar" hat Horst Schmitthenner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, die vorgelegten Ge­sundheitspläne von Horst Seehofer bezeichnet. Seehofer hatte sich unter anderem dafür ausgesprochen, vom einheitlichen Leistungskatalog in der gesetzlichen Krankenversicherung abzurücken und den Versicherten die Wahl zwischen unterschiedlichen Leistungsmodellen einzuräumen. So solle die Möglichkeit eröffnet werden, Modelle in der gesetzlichen Krankenversicherung wählen zu können, die die Eigenbeteiligung der Versicherten in Form von Selbstbehalten erhöht, um dadurch die regelmäßigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung reduzieren zu können.

"Was hier unter der Überschrift mehr Freiheit und Selbstbestimmung daher kommt, mag sich gut anhören, hätte aber fatale Folgen für die Finanzsituation und die Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem", erklärte Schmitthenner am Mittwoch in Frankfurt. Letztlich liefen die genannten Modelle darauf hinaus, jungen und gesunden Versicherten die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Beitrag zum Solidarsystem zu reduzieren. Dies führe zu Einnahmeausfällen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die dadurch vorprogrammierte Finanzierungslücke könne nur über zwei Wege geschlossen werden: "Entweder werden in breitem Umfange Leistungen gekürzt, um die Ausgaben den sinkenden Einnahmen anzupassen; oder diejenigen, die aufgrund akuter oder chronischer Erkrankungen besonders auf eine solidarische Gesundheitsversorgung angewiesen sind, müssen stärker belastet werden. Was die einen sparen, müssen die anderen drauflegen. Das ist keine solidarische Reformpolitik, sondern der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin".

Darüber hinaus zeigte sich Schmitthenner über die Forderung Seehofers verwundert, Vorsorge und Gesundheitsförderung zu stärken. Schmitthenner verwies darauf, dass es gerade der Gesundheitsminister Horst Seehofer gewesen sei, der in seiner Amtszeit den Auftrag zu mehr Prävention an die Krankenkassen erheblich eingeschränkt habe. Erst die rot-grüne Regierungskoalition habe die Möglichkeiten der Krankenkassen wieder erweitert, sich aktiv um mehr Prävention und Gesundheitsförderung im Arbeitsleben und in der Gesellschaft zu bemühen. "Da hat sich offensichtlich jemand still und leise vom gesundheitspolitischen Saulus zum Paulus gewandelt", sagte Schmitthenner. Zwar sei es zu begrüßen, dass nun auch Horst Seehofer sich der insbesondere von den Gewerkschaften seit langer Zeit erhobenen Forderung nach einer Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung anschließen wolle. "Aber das hört sich doch sehr nach Wahlkampfgeklingel an, sehr glaubwürdig ist das nicht".

Schmitthenner verwies in diesem Zusammenhang auf die gesundheitspolitischen Reformkonzepte der IG Metall. Statt den einheitlichen Leistungskatalog für alle Versicherten in Frage zu stellen, müsse sich eine effektivere Reformpolitik darauf konzentrieren, durch die Beseitigung von Ineffizienzen, Verschwendungen und Qualitätsdefiziten in der Versorgung die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhöhen. "Durch mehr Qualitätssicherung und effektivere Versorgungsstrukturen können sowohl Kosten gesenkt als auch der Gesundheitszustand der Bevölkerung erhöht werden. Das ist der richtige Weg, um das solidarische Gesundheitssystem finanziell zu stabilisieren und seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen", sagte Schmitthenner.

Letzte Änderung: 21.03.2013