IG Metall schreibt Abgeordneten

IG Metall

28.04.2003 Zwickel: "Spielraum für Änderungen und Ergänzungen der Agenda 2010 nutzen"

Der IG Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel hat die Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen zu deutlichen Korrekturen an den Plänen der Bundesregierung zur Reform des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe sowie zur Streichung des Krankengeldes aufgefordert. Die Abgeordneten sollten ihren "Spielraum für notwendige und mögliche Änderungen und Ergänzungen" nutzen, betonte Zwickel in einem am Montag in Frankfurt veröffentlichten Brief an alle Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen (siehe Anhang). Der Gewerkschaftsvorsitzende wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht die Bundesregierung, sondern das Parlament der Gesetzgeber sei. "Es schädigt nicht nur die demokratische Willensbildung in einer Partei, sondern auch die demokratische Kultur in Deutschland, wenn die 1:1-Umsetzung von Regierungsvorhaben im Parlament zum Maßstab für die Regierungsfähigkeit einer Partei gemacht wird", betonte Zwickel.

Nach Auffassung des IG Metall-Vorsitzenden hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seiner Regierungserklärung Mitte März einen "sozial- und gesellschaftspolitischen Richtungswechsel" eingeläutet. Mit der Agenda 2010 werde in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ein Kurs eingeschlagen, der sowohl eine Absage an das SPD-Wahlprogramm als auch an die Koalitionsvereinbarung darstelle. Zwickel erinnerte daran, dass Schröder im Juni vergangenen Jahres auf dem Zukunftskongress der IG Metall zugesagt hatte, die Arbeitslosenhilfe nicht auf das Niveau der Sozialhilfe abzusenken. Unmittelbar nach der Bundestagswahl habe der SPD-Vorsitzende außerdem versichert, dass es auf jeden Fall bei der paritätischen Finanzierung der Leistungen der Krankenversicherung bleiben werde. Nun, so Zwickel, werde das Gegenteil verkündet. Die jetzt geplanten Veränderungen gingen genau in die Richtung, die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände sowie Unionsparteien und FDP forderten. "Aber die Regierungserklärung enthält kein sozialdemokratisches Profil einer Politik zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme", betonte Zwickel. Mit Ausnahme der kreditfinanzierten Impulse für öffentliche und private Investitionen trügen die Maßnahmen der Agenda 2010 nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung bei. Sie regten weder den privaten Konsum noch öffentliche oder private Investitionen an. Im Kern gehe es vielmehr ausschließlich um Maßnahmen der sonst immer wieder kritisierten Umverteilung zu Lasten von Arbeitnehmern und Arbeitslosen.

Zwickel warf Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, im Vorfeld seiner Regierungserklärung nicht die Reformbereitschaft und die Kompromissfähigkeit der Gewerkschaften ausgetestet zu haben. Das gelte sowohl für den Kündigungsschutz als auch für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Auch bei der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sei mit den Gewerkschaften nie über ein anderes Modell gesprochen worden. Nach Angaben von Zwickel hätte durchaus über eine kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Jüngere und Qualifizierte gesprochen werden können. Die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes werde in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation aber nicht dazu führen, ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten. Künftig würden ältere Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, vielmehr sehr rasch zu Sozialhilfeempfängern. "Warum eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung gerade älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so vor den Kopf stößt, erschließt sich mir in keiner Weise", betonte Zwickel.

Die Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Gewerkschaften erfülle ihn "so Zwickel "mit großer Sorge. Dabei gehe es offenbar immer weniger um Sach- und immer mehr allein um Machtfragen. Das "Durchziehen" von einmal in der Regierungserklärung vom 14. März formulierten Punkten werde zum Testfall für die Regierungsfähigkeit der SPD hochstilisiert. Zwickel fordert die Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen auf, sich nicht auf solch ein Schwarz-Weiß-Szenario einzulassen.

Anhang:

Zwickel-Brief

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Letzte Änderung: 21.03.2013