Meldepflicht beim Arbeitsamt
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem sog. 1. Hartz-Gesetz (Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002) wurde im SGB III eine Vorschrift eingefügt, die ar-beitsmarktpolitisch sicherlich sinnvoll ist (DGB-Stellungnahme vom 11.11.02, S. 5), aber bei Nichtbeachtung für die betroffenen Personen Minderungen beim Arbeitslosengeldbezug zur Folge haben kann.
I. Änderung im SGB III
1. Meldepflicht
Die Vorschrift über die frühzeitige Arbeitssuche (§ 37 b SGB III) gilt ab dem 1. Juli 2003 und hat folgenden wesentlichen Inhalt:
Beschäftigte, die eine Kündigung erhalten oder einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, müssen sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes - also unabhängig vom Lauf der Kündigungsfrist - persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden. Dies gilt auch bei Aus-lauf von befristeten Arbeitsverhältnissen; 3 Monate vor Ablauf der Befristung; aber erst für Befristungen, die nach dem 1.7. d.J. erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob die Kündigung vom Arbeitsgericht angegriffen wird oder nicht.
2. Kürzung beim Arbeitslosengeld
Die Sanktion mit der Folge einer Leistungskürzung beim Arbeitslosengeld ist in § 140 SGB III geregelt.
Für jeden Tag der verspäteten Meldung mindert sich das Arbeitslosengeld wie folgt:
- Bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400
(Bruttoverdienst bis 1.700 Euro/Monat)7 Euro/Tag
- Bei einem Bemessungsentgelt bis 700
(Bruttoverdienst bis 3.100 Euro /Monat)25 Euro/Tag
- Bemessungsentgelt über 700 Euro
(Bruttoverdienst über 3.100 Euro/Monat)50 Euro/Tag
Die Minderung ist auf den Tag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet; also maximal auf 1.500.
II. Freistellung zur Erfüllung der Meldepflicht
1. Regelung im Gesetz
Die neue Vorschrift im SGB III enthält keine Regelung zur Freistellung von der Arbeit während der Kündigungsfrist bzw. in den letzten drei Monaten vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, um sich während der Geschäftszeiten beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden.
Maßgeblich hierfür sind die §§ 616, 629 BGB (Anlage 1) sowie die Tarifverträge im Bezirk (Anlage 2).
Nach herrschender Auffassung regelt § 629 BGB (Freizeit zur Stellen-suche) allein die Frage der Freistellung und § 616 BGB den Vergü-tungsanspruch (Sibben in DB 2003, 826 ff., Fn. 8 m.w.N.), wobei es zulässig ist, im Tarifvertrag diesen Vergütungsanspruch auf einzelne Tatbestände zu beschränken (a.a.O. Fn. 13).
2. Regelungen in den Tarifverträgen
Wie aus der Anlage 2 ersichtlich, enthalten alle Flächentarifverträge in Ba.-Wü. (bis auf drei Ausnahmen) eine Regelung im jeweiligen MTV, die sinngemäß bestimmt, dass nach Kündigung den Beschäf-tigten unter Fortzahlung der Vergütung angemessene Zeit zu gewäh-ren ist, sich eine neue Stelle zu suchen (vgl. § 4.3 ME Südbaden). Die bezahlte Freistellung zur Stellensuche bzw. Meldung beim zuständi-gen Arbeitsamt ist bei befristeten Arbeitsverträgen (Ausnahme Kfz MTV) bzw. Aufhebungsverträgen tariflich nicht geregelt
3.Aufklärungs- und Hinweispflichten des Arbeitgebers
Seit dem 01.01.2003 sollen die Arbeitgeber die Beschäftigten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (unmittelbar nach Zugang der Kündigung bzw. Abschluss des Aufhebungsvertrages oder 3 Monate vor Ablauf der Befristung) auf die Verpflichtung zur unverzüglichen Mel-dung beim Arbeitsamt hinweisen und hierzu freistellen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III; Anlage 1).
Hierzu besteht tariflich ein Anspruch auf Freistellung und Fortzahlung der Vergütung, um sich nach Zugang der Kündigung eine neue Ar-beitsstelle zu suchen. Nach unserer Meinung gilt dies auch für die Erfüllung der Meldepflicht beim Arbeitsamt. Lediglich im MTV für die Tex-tilindustrie (gewerblich) sowie Glaser- und Schreinerhandwerk schließen die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht (§ 616 BGB) für die Stel-lensuche (§ 629 BGB) aus.
III. Beratungspraxis
Für die Beratung der Betriebsräte kann dies folgendes bedeuten:
1. Bei anstehenden Verhandlungen zum Interessenausgleich und So-zialplan vereinbaren die Betriebsparteien vorab die bezahlte Freistel-lung von der Arbeit, um der Meldepflicht beim Arbeitsamt nachzu-kommen und darüber hinaus Bewerbungsgespräche und Vorstellungs-termine bei anderen Arbeitgebern eingehen zu können.
2.Während des Anhörungsverfahrens gem. § 102 BetrVG informieren die Betriebsräte die betroffenen Beschäftigten von der Meldepflicht beim Arbeitsamt nach Erhalt der Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages.
3.1 Betriebsräte können mit dem Arbeitgeber vereinbaren, den Umfang der Aufklärungs- und Hinweispflichten gegenüber den Beschäftig-ten vor Ausspruch der Kündigung oder Abschluss des Aufhebungsver-trages zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung festzulegen und dabei den Vergütungsan-spruch für die Freistellung zur Erfüllung der Meldepflicht gegenüber dem Arbeitsamt und für Zeiten von Vorstellungs- und Bewerbungsge-sprächen zu vereinbaren.
3.2 Dies sollte auch bei Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen gelten.
3.3 Kündigungsschreiben und Aufhebungsvereinbarungen sollten den Hinweis auf die unverzügliche Meldung beim Arbeitsamt enthalten.
4. Die vorstehend zitierte Meldepflicht beim Arbeitsamt gilt ab dem 1. Juli 2003 und bedeutet auch eine Änderung in der Verwaltungspraxis der Arbeitsämter. Wir regen daher an, mit den örtlichen Arbeitsämtern im Rahmen der Selbstverwaltung unbürokratisch zusammen zu wirken. Es sollte alles versucht werden, durch Aufklärung und Beratung die Anwendung der Sanktionsregel zur Kürzung des Arbeitslosengeldbe-zuges wegen der nicht unverzüglichen Meldung nicht zur Anwendung zu bringen.
Die Arbeitsämter werden die Betriebe über die Hinweis- und Aufklä-rungspflicht der Arbeitgeber und die Meldepflicht der Beschäftigten in-formieren. So soll u.a. den Betrieben empfohlen werden, spätestens im Kündigungsschreiben auf die Meldepflicht hinzuweisen.
Die Neuregelungen gelten ab dem 1. Juli bzw. beim Auslauf von Befristungen, die nach dem 1. Juli abgeschlossen werden.
In der nächsten Metall-Zeitung werden wir auf der Bezirksseite über die Meldepflicht berichten.
Letzte Änderung: 21.03.2013