Gemeinsame Erklärung Peters + Huber

IG Metall

23.07.2003 Die Entscheidung des IG Metall Vorstandes

Der Vorstand der IG Metall hat am 23. Juli 2003 erneut empfohlen, Jürgen Peters als Ersten und Berthold Huber als zweiten Vorsitzenden der IG Metall zu wählen. Peters und Huber stellten dem Vorstand eine gemeinsame Erklärung vor, die sie anschließend auf einer Pressekonferenz erläuterten.

Der Vorstand hat Peters zufolge "die Entscheidung, die er schon einmal getroffen hat, noch einmal ohne förmliche Abstimmung bestätigt". Auf Nachfrage sagte Peters, Huber und er hätten verabredet, die künftige Geschäftsverteilung im Vorstand miteinander zu behandeln. Schon nach der Vorstandsempfehlung im April habe Huber ihm gegenüber den Wunsch geäußert, für Tarifpolitik zuständig zu sein. Peters habe geantwortet: "Wenn das dein Wunsch ist, dann wird es das auch." Bei den anderen Fragen der Geschäftsverteilung habe der Vorstand ohnehin das Kunststück zu bewerkstelligen, "von bisher zehn geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern nur noch sieben an Bord zu wissen". Die Zahl der geschäftsführenden Vorstandsmitglieder soll - wie schon vorher bekannt war - entsprechend verkleinert werden. Huber ergänzte, man müsse "eine faire Geschäftsverteilung finden".

Zur Frage möglicher Gegenkadidaturen erläuterte Huber, Peters und er hätten "sich gegenseitig verpflichtet, dass keine neuen persönlichen Auseinandersetzungen auf dem Gewerkschaftstag schweigend zur Kenntnis genommen" würden. Man könne jedoch "in einer demokratischen Organisation nicht verhindern, dass jemand kandidiert". Huber sagte, er selbst werde nicht als Erster Vorsitzender kandidieren. Peters schloss aus, dass Huber einen Gegenkandidaten bekomme.
Zu Meldungen, wonach Peters nur für vier Jahre Erster Vorsitzender sein solle, um Huber Platz zu machen, sagte Peters, er habe "zunächst eine Legislaturperiode vor der Brust". Es sei "nach heutigem Kenntnissstand so, dass ich für eine weitere nicht antrete". Er habe auch nicht die Absicht, mit der Tradition zu brechen, dass der Zweite Vorsitzende der IG Metall der Erste wird. Darüber hätten allerdings zu gegebener Zeit der Vorstand und der Gewerkschaftstag zu entscheiden.

Beide lehnten es ab, zu definieren, wer Sieger oder Verlierer sei. Huber: "Von Sieg und Niederlage oder ähnlichen Martialien zu sprechen, ist sinnlos." Peters: "Wer über Sieger und Besiegte redet, hat sie nicht alle." Vielmehr betonten beide, dass sie die IG Metall wieder "in ruhiges Fahrwasser führen" (Peters) und als "Triebkraft gesellschaftlichen Fortschritts stärken" (Huber) wollten.

Gemeinsame Erklärung von Jürgen Peters und Berthold Huber

Die IG Metall braucht nach diesen schweren Wochen der inneren Zerrissenheit ein deutliches Signal der Einheit und des Aufbruchs. Sie braucht Repräsentanten an der Führungsspitze, die in ihrer täglichen Zusammenarbeit ein Beispiel für die Integrationskraft der gesamten Organisation setzen.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns geeinigt, diese Verantwortung gemeinsam zu übernehmen. In den vergangenen Tagen haben wir mehrere Gespräche geführt, die durch unsere gemeinsame Verantwortung für eine Lösung der Führungskrise der IG Metall geprägt waren.

Wir haben zu einer Vereinbarung gefunden, weil wir den festen Willen haben, die IG Metall zu einen. Wir sind der Ansicht, dass dies unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht ohne unsere Personen gelingen wird. Daraus ergibt sich der beiderseitige Wille, in allen Fragen zusammen zu arbeiten. Dies beinhaltet, dass alle wesentlichen politischen und personellen Fragen gemeinsam verabredet werden. Wir wollen - wenn der Gewerkschaftstag uns beauftragt - im Führungsduo die IG Metall repräsentieren. Wir wollen ein Beispiel für Zusammenarbeit geben und schließen Alleingänge aus.

Die IG Metall befindet sich derzeit in einer schweren innerorganisatorischen Krise. Im Vorfeld des 20. ordentlichen Gewerkschaftstages tun sich tiefe Meinungsverschiedenheiten auf, die dem Ansehen und der Stärke der IG Metall schaden. Eine Gewerkschaft, die den Interessen ihrer Mitglieder verpflichtet ist, muss alle Kräfte aufbringen, diesen Zustand zu beenden.

Ausgehend vom verlorenen Arbeitskampf in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie ist in der IG Metall ein Streit über politische und mögliche persönliche Konsequenzen entbrannt. Die Tarifbewegung im Osten wird werden wir genau zu analysieren und aufzuarbeiten sein.

Der Streit um persönliche Konsequenzen hat sich im Laufe der vergangenen drei Wochen gewollt oder ungewollt zu einem Richtungsstreit entwickelt. Diese Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge. Er muss sofort beendet werden. Wir betonen: Die IG Metall ist als Einheitsgewerkschaft dazu verpflichtet, ihre Unabhängigkeit gegenüber Regierungen, Konfessionen und politischen Parteien zu wahren. Dies schließt die Akzeptanz unterschiedlicher politischer Meinungen ausdrücklich ein, verbietet aber die Aufteilung der IG Metall in Lager und Fraktionen. Die unselige Debatte über vermeintliche Modernisierer und Traditionalisten trifft nicht das Wesen der Meinungsunterschiede in der IG Metall. Wir müssen sie beenden. Unterschiedliche Meinungen, Widerstreit und Diskussionen sind unabdingbare Voraussetzungen für eine lebendige Organisation. Der Wettbewerb der Argumente gibt uns die Möglichkeit, unsere Ziele besser zu definieren. Unsere Fähigkeit, diese Vielfalt in solidarisches Handeln zu übersetzen, macht die IG Metall zu einer starken gesellschaftlichen Kraft.

Wir sind beide überzeugt, dass die IG Metall nicht nur reformfähig, sondern auch reformwillig ist. Ihre geeinte Kraft ist unverzichtbar, um die Herausforderungen der Veränderungen der Arbeitsgesellschaft und des Sozialstaates im Interesse der abhängig Beschäftigten und des Gemeinwohls zu gestalten. Beide sind wir der Auffassung, dass wir die Debatte hierzu in einem offenen, beteiligungsorientierten und transparenten Diskurs in der IG Metall führen müssen. Hier können wir an die Ergebnisse der Zukunftsdebatte anknüpfen. Die IG Metall braucht Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung und der internationalen Standortkonkurrenz.

Die IG Metall braucht angesichts der demographischen Entwicklung und der Finanzierungsstrukturen der sozialen Sicherung Antworten für die notwendigen Reformen des Sozialstaates. Die IG Metall braucht Antworten auf die neuen Herausforderungen der Arbeitsgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die auch neue Wertmuster und veränderte Lebensbiographien der Beschäftigten aufnehmen. Die IG Metall wird ihren Reformanspruch in der Gesellschaft deutlich artikulieren.

Gleichzeitig müssen wir uns gegen die Angriffe der Arbeitgeber und aus Teilen der Politik auf die Gewerkschaften, die Tarifautonomie und das System der Flächentarifverträge wehren. Die Verteidigung von in Tarifverträgen vereinbarten Mindeststandards und der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten im Betrieb und den Unternehmen erfordert große Geschlossenheit in der IG Metall.

Durchgesetzte Erfolge schützen und Gestaltungsfähigkeit beweisen - beides verlangt eine IG Metall, die in Betrieb, Region und Gesellschaft handlungsfähig ist. Basis hierfür ist die Bindekraft der Organisation in den Betrieben und die Gewinnung neuer Mitglieder. Wir müssen mit unserer Politik angemessen auf Veränderungen in der Struktur der Beschäftigten in den von der IG Metall vertretenen Branchen reagieren. Das verlangt u.a. eine Veränderung in unserem Auftreten, eine je besondere Ansprache, Veränderungen in unserer betriebspolitischen Arbeit und bei unserem Bemühen um neue Mitglieder. Die Mehrheit der Arbeitnehmer bilden heute gut ausgebildete Beschäftigte. Sie für eine aktive Mitarbeit in der IG Metall zu gewinnen ist eine zentrale Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit der IG Metall.

Wir werden uns beide darum bemühen, dass der 20. ordentliche Gewerkschaftstag im Oktober die hierfür notwendigen Impulse gibt. Das Vorziehen der Wahlen Ende August, eröffnet die Chance, diesen Gewerkschaftstag mit der neuen Führungscrew der IG Metall in diesem Sinne vorzubereiten.

Die IG Metall ist unter diesen Bedingungen fähig, aus der tiefen innerorganisatorischen Krise zu lernen und einen neuen Aufbruch zu wagen. Solidarische und demokratische Auseinandersetzungen im Innern, die Fähigkeit zur Bewältigung von Zukunftsaufgaben im Interesse unsere Mitglieder, das Formulieren klarer Ziele und Geschlossenheit nach außen machen die IG Metall zu einer attraktiven Organisation. Diese Fähigkeiten wollen wir der IG Metall gemeinsam erhalten und sie für die Zukunft verbessern.

Wir wollen diese Verantwortung übernehmen und Vorbild für eine handlungsfähige IG Metall sein, mit der auch in Zukunft jeder rechnen kann und muss.

Jürgen Peters Berthold Huber

Frankfurt am Main, 23. Juli 2003

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Letzte Änderung: 21.03.2013