IG Metall-Gewerkschaftstag eröffnet

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15.10.2003 Berthold Huber: Solidarität - das wichtigste Kriterium

Das Prinzip der Solidarität muss nach Aussagen des 2. Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, das wichtigste Kriterium beim Umbau des Sozialstaates sein. Nur eine sozial ausgewogene Reformpolitik könne die Unterstützung der Menschen und der IG Metall finden. Bei der Agenda 2010 sei dies nicht der Fall, "deshalb muss nachgebessert werden", sagte Huber in seiner Eröffnungsrede auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall am Dienstag in Hannover.

Die IG Metall wolle den Parteien nicht hinterherlaufen und alles erdulden. Sie wolle auf die Entwicklung in den Parteien Einfluss nehmen und im Dialog, im Kontakt mit ihnen die gewerkschaftlichen Ziele vertreten. Die IG Metall sei kein Gesetzgeber, keine Partei. Sie sei weder eine etwas gealterte APO noch ein unpolitischer Versicherungsverein. "Wir sind eine Großorganisation, auf die viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Hoffnungen setzen und die nur dann Erfolg haben wird, wenn sie mehr ist, als eine partikulare Klientelorganisation". Huber: "Wir müssen aus der Mitte der Gesellschaft Einfluss nehmen. Denn dort sind unsere Mitglieder und dort sind wir am stärksten".

Huber nannte drei Themen, die für die IG Metall ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Vorrangig gehe es um eine Weiterentwicklung der Tarifautonomie. Hohe Produktivität und geringe Konflikthäufigkeit aufgrund der Tarifautonomie seien bis heute für den Erfolg der deutschen Wirtschaft die Voraussetzung gewesen. Es sei deshalb dumm und töricht, dass die Opposition die Tarifautonomie aufkündigen wolle. Nicht nur in der FDP, sondern auch in der CDU gebe es maßgebliche Strömungen für "eine Amerikanisierung der Arbeitsbedingungen in Deutschland". Huber appellierte an alle Parteien, die Tarifautonomie nicht anzutasten. Sie sei ein Freiheitsraum, den die IG Metall so gestalten wolle, dass die Interessen und Probleme des Arbeitslebens auf der Höhe der Zeit und in Kooperation mit den Arbeitgebern gestaltet werden können.

Heftig kritisierte Huber die mangelnde Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Die Zahl der Jugendlichen, die in Arbeitslosigkeit, in Sozialhilfe oder in irgendwelchen Schleifen hingen, sei ebenso gewachsen wie die Versprechen der Arbeitgeber für mehr Ausbildungsplätze zu sorgen. Seit Jahren passiere nichts. Die Zukunft der jungen Generation werde verspielt und den Älteren anschließend das Rentenalter erhöht und die Rente gekürzt. Die Berufsausbildung und Weiterbildung werde zu einer existenziellen Frage des Modells Deutschland, sagte Huber. Er forderte ein Ende der Versprechungen. Der Staat, Bundesregierung, Länderregierungen und Parlamente müssten dafür sorgen, dass alle Menschen eine Chance auf Ausbildung und Bildung erhielten. Das sei ihr grundgesetzlicher Auftrag.

Als dritten Schwerpunkt nannte Huber den Umbau der sozialen Sicherungssysteme. Grundsätzlich lehne die IG Metall den Weg einer Entstaatlichung und Privatisierung ab. Die IG Metall werde nicht zu allen Vorschlägen nein sagen, aber sie verlange, dass Regierung und Opposition überzeugende Vorschläge zu einem "sozial gerechten Umbau" vorlegten.

In den vergangenen Jahren sei vieles gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gegen die Gewerkschaften gelaufen, sagte Huber. Der Einfluss der Märkte sei stärker geworden und das soziale Prinzip habe an Ansehen verloren. Durch sehnsüchtiges Zurückerinnern werde die IG Metall jedoch weder stärker noch attraktiver. Die Menschen verlangten von der IG Metall vor allem, dass sie ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen, ihre Interessen gestaltet. Die IG Metall werde sich dafür engagieren, dass "wirtschaftliches Wachstum und solidarische Gesellschaft auch weiterhin zwei Seiten der Medaille bleiben". Darum werde die IG Metall nicht zulassen, "dass Merz und Westerwelle diese Republik zu einem Laboratorium für rücksichtslose Marktlogik und verantwortungslose Egoisten machten". Huber: "Wir wollen keine Gesellschaft, in der Freiheit und Emanzipation eine Veranstaltung für Besserverdienende wird. Wir werden mit aller Kraft gegen eine Politik kämpfen, die die soziale Herkunft zum Auslesekriterium für Lebenschancen macht".

Letzte Änderung: 21.03.2013