Rückblick: Mensch und Umwelt vor Profit
Mensch und Umwelt vor Profit!
Bei der gut besuchten Diskussionsveranstaltung am 29. September im Gewerkschaftshaus waren mit den beiden Referenten Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) Mannheim und
Ernst-Christoph Stolper vom BUND, Sprecher Arbeitskreis Internationale Umweltpolitik ein Befürworter und ein Gegner der Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und Comprehensive Economic and Trade
Agreement (CETA) auf dem Podium.
Der Untertitel der Veranstaltung lautete: "Freihandelsabkommen: Auswirkungen auf Demokratie, Arbeitsrechte, Verbraucherschutz, Umweltschutz und soziale Standards? Sicherung oder Gefährdung von Arbeitsplätzen? Faire Handelsbeziehungen - die Alternative?"
Herr Heinemann begründete seine Position für die Abkommen mit dem Wirtschaftswachstumsschub der durch diese Abkommen erzeugt würde, indem nicht nur die bereits sehr niedrigen Zölle, sondern auch andere Hindernisse
für freien Handel beseitigt würden. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum soll nach einer Studie die von der EU-Kommission in Auftrag gegeben wurde pro Jahr ca. 0,04 % betragen. Er betonte auch die Notwendigkeit der
Standardisierung technischer Regeln und Zulassungsverfahren. Dies war in der Debatte unstrittig.
Beim Investitionsschutz kritisierte er, dass der endverhandelte CETA-Vertrag weiterhin unbestimmte Rechtsbegriff enthält, die eine weite Rechtsauslegung für private Schiedsgerichte ermöglicht, wenn Konzerne Staaten
verklagen wegen entgangener Gewinne aufgrund von neuen Gesetzen oder Verordnungen. Zum Schluss seines Eingangsstatement stellt er die Frage: "Woher kommt der breite Widerstand gegen diese Abkommen?"
Herr Stolper gab zu bedenken, dass sowohl CETA als auch TTIP keine klassischen Handelsabkommen sind, sondern neue Regeln geschaffen werden in allen Lebensbereichen, vom Umwelt- und Verbraucherschutz, über das Arbeitsrecht, bis hin
zu demokratischen Prozessen. In beiden Abkommen wurden und werden offensichtlich die Forderungen der Industrieverbände zu einer Deregulierung in diesen Bereichen weitgehend aufgenommen. So ist zu befürchten, dass über das
TTIP-Abkommen und der weitgehenden Liberalisierung (Privatisierung) die im Verhandlungsmandat als Ziel vorgegeben ist, nicht nur Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge, die von öffentlichen Einrichtungen bereitgestellt werden,
privatisiert werden, sondern auch grundsätzliche Regeln wie das Vorsorgeprinzip oder das Verbot von genveränderten Lebensmitteln auf dem Verhandlungstisch geopfert werden.
Den häufig geäußerten geostrategischen Überlegungen Europa müsse zusammen mit den USA Standards und Normen setzen hielt er entgegen, dass die Verflechtung der europäischen Länder zu andern Staaten so
stark seien, dass diese Beziehung unter der einseitigen Ausrichtung auf die USA leiden würden.
Während Herr Heinemann die Auffassung vertrat, die TTIP-Verhandlungen wären sehr transparent, beschrieb Herr Stolper, dass die veröffentlichten Dokumente unüberschaubar, sowie mit Werbung für die Abkommen
bespickt seien, sowie die eigentlichen wichtigen Verhandlungsdokumente nicht offenliegen würden. Abgeordnete des Europaparlaments könnten nur in einem Lesesaal Einblick in die Dokumente nehmen, unter der Auflage strikter
Geheimhaltung. Bundestagsabgeordneten ist der Zugang zu den Verhandlungsdokumenten verwehrt. Dies, obwohl der US-Verhandlungskommission aus bestimmten Quellen die Verhandlungsposition der EU-Kommission im Detail bekannt sein müsste.
Diese Intransparenz sei bereits anfänglich verantwortlich für das tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegen diese Abkommen und den gesamten Gang der Verhandlungen. Das Misstrauen habe sich durch die bekanntgewordenen Inhalte
bestätigt.
Unter einer regen Beteiligung der Teilnehmer wurden die angesprochenen Themen vertieft. Am Ende waren sich alle darin einig, dass die Frage, wie ein gerechter Welthandel erreicht werden kann, ganz aktuell auf der Tagesordnung steht.
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Letzte Änderung: 01.10.2015