Neue Ordnung für das Handwerk

Miteinander fuer Morgen - Solidarisch und Gerecht

03.09.2019 Etwa 2,13 Mio. Beschäftigte im Handwerk im Zuständigkeitsbereich der IG Metall - IG Metall fordert Handwerksreform mit dem neuen Ordnungsrahmen für das Handwerk, u.a. Stärkung der Tarifbindung

Mit dem neuen Ordnungsrahmen für das Handwerk möchte die IG Metall das Handwerk stärken. Es geht darum, die Meisterpflicht auf Gewerke, die im Zuge der Handwerksnovelle 2004 weggefallen sind, wieder auszuweiten. Mit dem neuen Ordnungsrahmen im Handwerk erhebt die IG Metall zwölf Forderungen an Arbeitgeber und Politik. Darin enthalten ist, den abgebrochenen Branchendialog im Handwerk wieder aufleben zu lassen und dafür zu sorgen, die Tarifbindung im Handwerk zu stärken.

Rund 2,13 Mio. Beschäftigte arbeiten in Handwerksbetrieben, die im
Organisationsbereich der IG Metall sind. Jährlich erwirtschaften sie knapp 268 Mrd.EUR Umsatz. Mit rund 441.000 Arbeitsverhältnissen ist das KFZ-Handwerk die beschäftigungsintensivste Branche. Damit befindet sich das KFZ-Handwerk auf Augenhöhe mit der Automobilindustrie. Hinzu kommt, dass das
Handwerk einer der größten Ausbilder in Deutschland ist. Aktuell werden 365.000 junge Menschen im Handwerk ausgebildet. Das sind 27,6 Prozent aller Auszubildenden.

Ab September debattiert der Bundestag über die Wiedereinführung der Meisterpflicht für alle Handwerksbranchen. Im Jahre 2004 wurde die Meisterpflicht für 53 Gewerke abgeschafft. Die Folgen waren fatal: Teilweise Rückgang bzw. Einstellung der Ausbildung in einzelnen Gewerken, Lohndumping und Tarifflucht statt Tarifbindung. Zunahme von Solo- und Scheinselbständigkeit statt Arbeitsplatzsicherheit, aber auch Anstieg von Insolvenzen. Verdeckt wurde diese Negativentwicklung durch die lang anhaltende und im Handwerk immer noch vorherrschende gute konjunkturelle Lage.

Die Deregulierung, mit ihrer zerstörerischen Kraft, schwächt die Tarifbindung bis heute. Sozialpartnerschaften werden brüchig und die Bindekraft der Verbandsstrukturen von (Landes-) Innungen oder Kreishandwerkerschaften nimmt ab. Traditionell gepflegte Dialoge zwischen den Sozialpartnern und die gegenseitige Akzeptanz leiden bis heute darunter und zeigen auf, dass die betriebliche Mitbestimmung darunter leidet oder sich gar zunehmend auflöst.

Neuer Ordnungsrahmen im Handwerk - 12 Forderungen an Arbeitgeber und Politik

12 Forderungen im Überblick:

  • Ordnungsrahmen im Rahmen des Branchendialoges Handwerk gestalten
  • Erfolgreiche Fachkräftesicherung durch Stärkung der Tarifbindung und gute Arbeitsbedingungen im Handwerk
  • Fachkräfte binden durch alternsgerechte Arbeitsbedingungen, flächendeckende betriebliche Altersvorsorge und gute Rente
  • Transformation und Digitalisierung im Handwerk gestalten
  • Das Handwerk braucht eine neue Mitbestimmungskultur
  • Meisterpflicht als Basis dualer Ausbildung erhalten
  • Qualität der Ausbildung im Handwerk und lebenslange Weiterbildung
  • Gesellschaftliche Integration Geflüchteter durch Arbeit und Ausbildung
  • Fairen Wettbewerb gestalten; Soloselbständige brauchen ordnungspolitische Leitplanken
  • Gute Arbeit und fairen Wettbewerb durch besseres Vergaberecht fördern
  • Handwerk durch passgenaue öffentliche Förderung stärken
  • Die handwerkliche Selbstverwaltung stärken und die Initiative "Perspektive Selbstverwaltung" (PerSe) als bewährtes Qualifizierungskonzept weiterentwickeln

"Das Handwerk braucht einen neuen Ordnungsrahmen. Wesentlicher Baustein im traditionellen Handwerksverständnis von Meister - Geselle - Lehrling ist der Meisterbrief. Er ist Eckpfeiler der beruflichen Bildung und Qualitätssiegel. Wo Meister ihr Wissen an Lehrlinge weitergeben, wird fundierte und gute Arbeit geleistet", sagt Ralf Kutzner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.

"Die IG Metall hat mit einem Positionspapier zum neuen Ordnungsrahmen in die Debatte zur Rückvermeisterung der sogenannten B1-Gewerke, die seit 2003 keine Meisterpflicht mehr haben, eingegriffen. Ralf Kutzner weiter: "Uns geht es um die Stabilisierung der Tarifbindung, und um die Abwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften vom Handwerk in die Industrie zu stoppen. Das Handwerk hat tolle Berufe, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Nur noch 30 % der Beschäftigten werden nach Tarif entlohnt. Die Lohndifferenz zu anderen Branchen beträgt mittlerweile 20 Prozent. Zwei Drittel der jungen Gesellen wandern ab. Im Juni fand eine Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages statt, wo wir unsere Forderungen präsentierten. Die Diskussion um die Neuordnung des Handwerks wird in den nächsten Monaten Fahrt aufnehmen".

15 Jahre danach ist es an der Zeit, die Auswirkungen dieser Handwerksnovelle zu prüfen und umfassende Lösungsansätze zu erarbeiten, die das Handwerk zukunftsfest machen. Das ist umso wichtiger, da auch das Handwerk von der Transformation durch die Digitalisierung betroffen ist. Eine konsensorientierte Ordnungspolitik und starke Sozialpartner, die miteinander reden, können Branchenpolitik gestalten. Die Industrie hat den politischen Anspruch, dialog- und konsensorientiert, miteinander, wettbewerbsfähige industrielle Strukturen zu sichern. Eine solche Politik brauchen wir auch wieder im Handwerk.

Darum fordern wir einen neuen Ordnungsrahmen, in dem mitgliederstarke Gewerkschaften, Innungen und Verbände im Handwerk die Herausforderungen gemeinsam gestalten. Gerade in der digitalen Zeit, voller Umbrüche und neuer Herausforderungen kommt den Sozialpartnern eine enorm wichtige Rolle zu. Im Handwerk muss zukünftig Wettbewerb wieder über Qualität und nicht über den niedrigsten Preis ausgetragen werden.

Aber auch die Politik ist gefragt. Sie kann an vielen Stellschrauben ihren Beitrag leisten. Gerade bei der zentralen Gerechtigkeitsfrage, der Tarifbindung, kann sie Unterstützung leisten. So zum Beispiel in der Frage der Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder der vereinfachten Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen.

Die IG Metall bringt mit diesem Thesenpapier eine Diskussionsgrundlage für einen neuen Ordnungsrahmen für das Handwerk in die aktuelle handwerkspolitische Strukturdebatte ein. Ziel ist, dem Handwerk und den Beschäftigten eine positive Zukunftsperspektive zu bieten und Wege aufzuzeigen, mit denen das Handwerk wieder zum Premiumsegment des deutschen Mittelstands werden kann.

Letzte Änderung: 02.09.2019