Post von der IG Metall Mannheim

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31.03.2020 Sozialversicherungsbeiträge weitergeben - Auszubildende schützen - IG Metall Mannheim schreibt Bundes- und Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis an und fordert Schutz für Beschäftigte und Azubis

Die IG Metall Mannheim hat alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten angeschrieben und um Stellungnahme sowie Engagement für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden gebeten.

Wir dokumentieren hier beispielhaft den Wortlaut der Briefe, hier: An den Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel, CDU, aus Mannheim.

Kurzarbeitergeld

Sozialversicherungsbeiträge weitergeben - Auszubildende schützen

Sehr geehrter Herr Löbel,

unser Land, unsere Wirtschaft und auch unsere Metropolregion stehen angesichts der weltweiten Verbreitung des Corona-Virus vor gigantischen Herausforderungen. Wir möchten vorab betonen, dass wir die von Bundesregierung und Bundestag schnell und konsequent beschlossenen Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Beschäftigung im Großen und Ganzen begrüßen.

Aus Sicht der bei uns organisierten Beschäftigten und mit Blick auf unsere Wirtschaft in Mannheim und der Region müssen wir Sie dennoch auf schwerwiegende Konstruktionsfehler des Maßnahmenpakets aufmerksam machen. Bei den wirtschaftlichen und finanziellen Hilfspaketen ist eine soziale Schieflage entstanden, die weder gerecht noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Der Staat hilft den Unternehmen mit sehr viel Geld, setzt dabei auch die Schuldenbremse außer Kraft. So weit, so richtig. In Fällen von Kurzarbeit werden den Arbeitgebern sogar die Beiträge zur Sozialversicherung zurückerstattet - nicht nur die Arbeitgeberanteile, sondern auch der Anteil der Beschäftigten. Das ist nicht gerecht!

Denn Unternehmen bestehen nicht nur aus ihren Eigentümern, sondern auch aus ihren Beschäftigten. Und die werden schon sehr bald millionenfach in Kurzarbeit sein - mit dramatischen Einkommenseinbußen zwischen 33 und 40 Prozent ihres Nettoentgeltes. Das reicht für viele Menschen in unserem Land bei weitem nicht, um Miete und Lebenshaltungskosten zu finanzieren.

Der Arbeitnehmeranteil der Sozialbeiträge muss daher dringend an die Beschäftigten weitergegeben werden. Das würde nicht nur vielen Menschen in den nächsten Monaten sehr helfen.

Es würde auch vielen Betrieben in unserer Region helfen, die zum Teil sehr stark von der regionalen Nachfrage abhängen und eben nicht alle für den Export produzieren. Es würde den massiven Einbruch der Nachfrage abfedern, der in den nächsten Monaten ohnehin eine starke Belastung für Mannheim und unsere Region darstellt. Viele der in der IG Metall organisierten Kolleginnen und Kollegen profitieren von Tarifverträgen, in denen eine Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld vereinbart worden ist. Viele andere aber gehen leer aus. Bitte tragen Sie dazu mit ihren Möglichkeiten bei, dass dieser Fehler in der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung korrigiert wird.

Aktuell gibt es Bestrebungen aus Handwerk und Industrie, wonach auch Auszubildende bei Arbeitsausfall oder Betriebsschließung nur noch das gesetzliche Kurzarbeitergeld erhalten sollen. Bisher sind Auszubildende in Deutschland sozusagen vor Kurzarbeit "geschützt" - ausbildende Betriebe müssen ihnen per Gesetz auch ohne Arbeit für bis zu 6 Wochen die volle Ausbildungsvergütung weiterzahlen. Dies regelt Paragraf 19 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Dieser sorgt nun beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) für Unmut. Gegenüber Medien fordern die Verbände, dass Betriebe auch für Azubis vom ersten Tag an Kurzarbeitergeld beantragen können sollen. Hintergrund ist, dass erste notleidende Betriebe nun offenbar damit drohen, ihren Auszubildenden zu kündigen.

Für Auszubildende würde ein Rückfall auf das gesetzliche Kurzarbeitergeld massive finanzielle Einschnitte mit sich bringen. Ein Rechenbeispiel: Azubis im Kfz-Handwerk Baden-Württemberg verdienen im 1. Ausbildungsjahr 869 Euro monatlich, beim gesetzlichen Kurzarbeitergeld sinkt die Netto-Vergütung maximal auf nicht einmal die Hälfte davon. Bereits heute reicht das Geld mancherorts kaum, um die Miete zu zahlen und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nur mit Kurzarbeitergeld ist das schlicht unmöglich. Zumal längst nicht alle Auszubildenden kostenfrei bei den Eltern wohnen könnten und oft weite Wege zu Berufsschule und Ausbildungsbetrieb anfallen.

Unsere Position dazu ist eindeutig: Es kann nicht sein, dass in Krisen den finanziell Schwächsten in den Betrieben noch zusätzlich die Vergütung gekürzt wird oder sie sogar auf die Straße gesetzt werden. Solche Eingriffe in die Berufsausbildung sind nicht akzeptabel. Wir fordern Sie daher auf, alles dafür zu tun, dass sowohl die Ausbildungsplätze als auch die Vergütungen geschützt werden. Für den Fall, dass der Gesetzgeber für Betriebe die Möglichkeit schaffen sollte, auch für Auszubildende vom ersten Tag an Kurzarbeit zu beantragen, muss sichergestellt werden, dass die Arbeitgeber das gesetzliche Kurzarbeitergeld so aufstocken, dass die Auszubildenden keinen Tag weniger verdienen als ihre normale Ausbildungsvergütung. Wir fordern Sie daher auf, all ihre Möglichkeiten zu nutzen, um Auszubildende, unsere Fachkräfte der Zukunft, zu schützen.

Freundliche Grüße, und bleiben Sie gesund!

Klaus Stein
1. Bevollmächtigter/ Geschäftsführer
IG Metall Mannheim

Thomas Hahl
2. Bevollmächtigter/ Geschäftsführer
IG Metall Mannheim

Letzte Änderung: 31.03.2020